Hallo Musikfreunde,
bevor wir mit entsetzten Mails wg. pornographischer Belästigung
attackiert werden. NEIN, wir sind nicht die PR Abteilung von Beate Uhse
geworden. EISENPIMMEL sind eine Band (und was für eine! doch dazu
später mehr) und, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen,
EISENPIMMEL sind auch nicht das neue Projekt von Joachim Witt oder ein
weiterer verkorkster Rammstein Klon.
EISENPIMMEL sind KULTUR. Ruhrpottkultur. Also von ganz unten. Aus Duisburg.
Drunter geht nicht mehr. Vielleicht könnte man sagen, sie sind die
Punkrockversion von Helge Schneider. Aber in derbe. Wobei eine solche
Beschreibung trotzdem mit Vorsicht zu genießen ist, den EP sind VIEL
gefährlicher. Sie sind die Zecke am Hintern der Nation. Die Achillesferse
des Systems. Der Krückstock des Kapitalismus...blablaba.... Vielleicht sind
sie auch Comedy, aber das ist ja heutzutage ein böses Wort und stellt die
Band in eine Reihe mit freudlosen Witzeerzählern, die man von Funk und
Fernsehen her kennt. Außerdem stimmt es nicht.
Egal, jetzt haben EP eine fast neue CD draussen (auch dazu später mehr).
Wer nach anhören ebendieser dann sagt.: Lustig ist anders und hier fängt
der Spaß erst bei 3.0 Promille an, liegt falsch.
So einfach ist das. Denn EP SIND LUSTIG. Und Ernst. Und Politisch sind sie auch.
Sogar radikal politisch. Mit anderen Worten, EISENPIMMEL sind dass, was ihr daraus
macht.
Aber eins sind sie immer: vollständig unkorrekt. Gerade Deswegen: Daumen
hoch für Eisenpimmel.
Mit freundlichem Gruß,
Jörg Timp / die Starkult Crew
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Zur CD.
Titel : Liebesglocken grüssen Dich (Alte Kacke II)
Vö : Mitte September
Label : Teenage Rebel Rec. / Connected
Der Name ist Programm (okay, das klingt jetzt nicht so richtig fair) und deshalb
enthält die CD Highlights der Bandgeschichte. 15 Songs.Plus zwei neue. Macht
17 Songs und unendlich viel Gelaber. Natürlich inhaltsfrei aber wertend,
verachtend und reaktionär.
Z.B.: Die Glatze an sich is nich unpolitisch offen - weil darumwegen bin ich
politisch dicht - von viel Oierlikör werd ich total besoffen - ohne
gesundheitstreter vom doc lauf ich nich - Damit die buxe nicht rutscht muß
ich Hosenträger tragen - darum fress ich mich auch doof und dick - nur mit
White Power Majönäse kannze mich jagen - weil ich als echter Skinhead
rote pommes krick REFRAIN: oho oh oh oh oh oh - Oppe Harre kriss oder n' glatzkopp
bis - hat nix damit zu tun wat inne Birne is.
Und als Bonus gibt es das alles komplett unproduziert. DIE CD BEMUSSTERN WIR GERNE.
Zur Band.
Die Geschichte aus der Sichtweise eines Beteiligten (Schuldigen):
Ich hatte damals keine Ahnung, worauf ich mich da einließ, als mich Wolle
und Bärbel vor einem frühen Schließmuskel-Konzert fragten, ab ich
nicht ihr offizieller Bandfahrer sein wollte. Ich hatte gerade meinen
Führerschein gemacht und mein erstes Punkrock-Fanzine rausgebracht
(Orwells Söhne) und war -wie ich Jahre später erfahren mußte- für
die Band vor allem deshalb interessant, weil ich keinen Alkohol vertrage und den
Musikern somit nichts wegsaufen konnte. Ich sagte also zu und bereute es bereits
zwei Stunden später, als ich mir meinen Bus betrachtete. Dieser war
plötzlich von oben bis unten mit Edding vollgeschmiert und präsentierte
die gesammelten Weisheiten der Band in einem der haßlichsten Graffitis der
Weltgeschichte. Ich beschloß, es mit Humor zu sehen, zumal ich nun wohl der
einzige Mensch war, dessen Auto Mitte der 80er noch Sprüche wie - Amis raus
aus Vietnam- und - Adenauer kotzt uns an- spazierentrug. Die Band war damals schon
sehr stolz auf ihr politisches Engagement- und ich war nun derjenige, der die
Revoluzzer hinaus in die Welt tragen sollte. Ich kaufte mir schonmal 'ne Gasknarre
für alle Falle.
Um ehrlich zu sein, mit Konzerten lief nicht so viel. Die meiste Zeit hingen
Eisenpimmel an Trinkhallen und Bahnhöfen herum, alle paar Wochen ging's in den
Proberaum. Da mein VWBus damals wie heute als Bier- Taxi diente, bekam ich von der
Band den Job als Catering-Arsch. Im Gegenzug durfte ich den unzähligen,
stumpfen "Diskussionen" zuhören, in denen es stets um Grundsatzliches ging.
Schwarz oder weiß, Mann oder Frau, Punk oder Kapitalismus, Alt oder Pils -
jeder achtlos dahingeworfene Satz zog eine Kette von Uberreaktionen und
gekränkten Eitelkeiten nach sich, so daß es gelegentlich schon
spaßig sein konnte, diesem teils arg minderbemittelten Haufen beim Austausch
verbaler Kommunikation zuzuhören. Was natürlich nichts daran änderte,
dass Eisenpimmel durch die Bank weg ziemliche Hänger waren, die vermutlich auch
heute noch irgendwo im Park rumliegen würden, wenn sie nicht das Plastic Bomb -
Label wiederentdeckt und gefordert hatte. Doch der Reihe nach.
Gegeben hat es Eisenpimmel auf jeden Fall seit Beginn der 80er, ungefähr
drei, vier Jahre, bevor ich sie kennenlernte Wahrscheinlich jedoch schon seit 1976
als Schülerband, aber genaueres geben auch die komischen Fotos nicht her
(Bärbel mit Zopfen und zweisaitigem Bass, Wolle mit Kindergitarre und
Blödmannspony) Zwischenzeitlich hiessen sie wohl auch mal Hansafront Und was
zunächst als lockere Alternative zu täglichen, stumpfen Saufgelagen
für eine handvoll einschlägiger, stadtbekannter Asipunks aus Duisburg
begann, nahm im Laufe der Jahre immer konkretere Formen an. Tatsächlich
benötigten Eisenpimmel satte drei Jahre, um 1986 ihr erstes Stück -
Duisburg is spitze- , fertigzustellen (Anlass war die 1250-Jahr-Feier der Stadt
Duisburg im Jahre 1983, bei der ein Aufruf an alle hiesigen Rockbands erging, ihrer
Stadt eine zeitgemäße Hymne zu schreiben. Doch trotz ihrer unglaublichen
Faulheit wurden sie in jener Zeit durch ihre unregelmäßigen, meist
spontanen, chaotischen Konzerte zu einer festen Größe der quirligen
Ruhrpottszene von damals. "Richtige" Auftritte (30 Minuten ohne umzufallen) gab es
u.a. im Eschhaus, Okie Dokie oder Haus Zoar, beschämende "Sessions" im Nix da,
Kassenberg, FZW (wo mir in der Nacht Siggi den ganzen Bus vollkotzte und am
nächsten Morgen behauptete, das waren Einbrecher gewesen) Im Keller vom
Eschhaus entstand übrigens auch die Session mit den Stücken -Saufen-,
-Pils- und -Bier zu mir- und zwar am Tag ihres Konzert, kurz nach dem Soundcheck um
18 Uhr. Diese Aufnahmen sind die bis heute einzigen, die die Band ohne fremde Hilfe
zustandegebracht hat (ich selbst parkte gerade den Bus im Hof), wenn es auch anfangs
leichte Probleme mit dem Kassettenrekorder gab.
Auf recht subtile Art gewann ihr Lifestyle mehr und mehr an Klasse In der zweiten
Hälfte der 80er gehörten Eisenpimmel zu den wenigen Bands, welche weiterhin
zäh, versoffen und trotzig die Deutschpunkfahne hochhielten. In diesen Jahren
kam es zu einigen unglaublichen Auftritten, so 1987 zusammen mit den Kanzlers und
Schleyers Henker im alten Gewerkschaftshaus in Duisburg-Marxloh vor
größtenteils Ruhrgebietsmalocher Publikum (der Sohn eines
Gewerkschaftsfunktionars hat sogar einen Filmmitschnitt auf SuperAcht gemacht, das
Original-Dokument ging leider im Laufe der Jahre verloren, lediglich Gitarrist Wolle
hat noch eine schlechte Kopie, die wir uns gelegentlich anschauen), 1988 vor Napalm
Death im Vereinsheim der Kleingartenanlage Dortmund-Hörde (heutzutage
würde man wohl sagen eine voll krass scheißegeile Location), im selben
Jahr eine kurze, vom Goetheinstitut geförderte Polentour (welche, wen wundert
es, auch bei hartnäckigen Anfragen beim Goetheinstitut bis heute verleugnet
wird), sowie 1989 schließlich als Teil einer fragwürdigen
Resozialisierungsmaßnahme ein Auftritt im Jugendknast Düsseldorf-
Gerresheim (im Publikum u.a. einige heutige Szenegrößen, die dort ihre
Jugendsünden "abwohnen" durften).
In der ersten Halfte der 90er wird es dann wieder sehr diffus. Addi und Wolle
waren bis zum Ablauf ihrer Bewährungsstrafen einige Jahre in Thailand (wo Addi
zur Zeit relativ erfolglos versucht, eine Filiale seines Biertaxis aufzuziehen),
Siggi machte mehrere Entziehungskuren in Holland und der Schweiz, Barbel bekam vier
Kinder, die ihr jedoch alle vom Jugendamt wieder abgenommen wurden (mit Ausnahme des
1993 geborenen Sid, der bei seinem Vater in Kreuzberg lebt). 1994 aber waren
Eisenpimmel wieder am Start, als ihnen von mehreren Leuten aus der Punkszene im
westlichen Ruhrgebiet sehr deutlich nahegelegt wurde, einige ihrer alten
Liveklassiker endlich mal für die Nachwelt einzuspielen. So entstand die -Dicke
Eier Weihnachtsfeier-EP, welche die Band zum ersten mal auch über das
Ruhrgebiet hinaus bekannt machte. Weitere Auftritte scheiterten jedoch fast immer
am Dauersuff und absoluter Unzuverlässigkeit einiger Bandmitglieder. So sollten
sie zum Beispiel eins der damaligen Schäbbig-Festivals headlinen, kamen jedoch
einfach nicht. Und die Band, welche vor einigen Jahren als "Special guest" eines
Plastic Bomb-Festivals Eisenpimmel-Lieder spielte, war leider nur die Gruppe EA 80.
Zum Glück war niemand von den echten Eisenpimmel da, sonst hätten EA 80
wohl Duisburg-Verbot auf Lebenszeit.
Es folgte die kreativste Zeit der Band. Mehrere Platten wurden eingespielt, teils
mit grober Ästhetik, teils mit filigranem Ego-Gewixe. Es gab sogar Plattenfirmen,
die ihnen Geld dafür gaben. Hinzu kamen ihre verunglückten
Samplerbeiträge, die im Nachhinein stets für Arger sorgten, wenn der Band
mal wieder gesagt werden mußte, erneut knapp am Thema vorbeigerutscht zu sein.
Beispielsweise bat jemand um einen Beitrag für die sogenannte "APPD", die 1998
sogar zur Bundestagswahl antreten wollte und die der Band van früher her noch
ein Begriff war. Erst hinterher stellte sich heraus, dass es sich bei der APPD nicht
wie angenommen um die "Atom-Pils Partei von Ditze" (ein alter Kumpel von Wolle)
handelte, sondern um eine andere, kleine Partei gleichen Namens. Die Band war
stocksauer und die APPD verlor die Wahl.
Nicht viel anders verlief es mit dem Song -Gebt uns Arbeit-, der als Originalversion
einer Gruppe namens OHL bislang nicht in die Annalen des Rock eingegangen war. Zwar
schrieben Eisenpimmel für ihre Coverversion extra einen eigenen, besseren Text
und eine völlig neue Musik, doch in die Charts schossen andere. Es folgten noch
mehr Platten, die beiden hinlänglich bekannten Fernseh-Produktionen und
vereinzelte Konzert-Absagen, die auch immer häufiger zu internen Streitereien
führten. Während Wolle und Bärbel grundsätzlich für Gigs
offen waren (Freibier), wollte Siggi lieber an seiner Rock-Oper -Die Mauer- arbeiten,
zumal er bereits namhafte Ex-DDR Bands wie Magnet, Hebel und Seife für eine
Mitarbeit begeistern konnte. Der Graben innerhalb der Band wurde immer tiefer und
auch die Anfeindungen von aussen nahmen fast wöchentlich zu. Vielen ging der
einst so brutale Protest der Band nun nicht mehr weit genug, vereinzelten Meinungen
nach zufolge handelte es sich bei Eisenpimmel gar um "Comedy"!!, ein Attribut, was
die ehrbaren Gefühle der Musiker mehr als nur verletzte. Als dann
plötzlich sogar Sexismusvorwürfe gegen Eisenpimmel auftauchten und diese
Ende der 90er einen neuen Hbchststand erreichten, beschlossen Addi und Wolle, sich
diesem Trend anzuschliessen und nahmen unter dem Pseudonym BKSAW die vielbeachtete
Single -Initiative statt Verbödung (Klappentext "Solidaritat im Kampf gegen die
Verherrlichung von Sexismus, Gewalt und Lethargie in unserer Szene") auf, von der
allein in der autonomen Szene bis heute über 5000 Exemplare verkauft wurden.
Als Gastsänger konnten Addi und Wolle Piotr Zayucki und 0lga Pudelko von der
polnischen Hardcore-Legende Kraczki Gdansk gewinnen, die sie damals auf ihrer
Goethe-Tournee kennengelernt hatten. Der Rest von Eisenpimmel reagierte prompt und
versuchte ihrerseits nun mit der Aktion "Titten raus aus Punkrock" den PC-Gehalt
wiederum zu überbieten, coverte die beiden Songs und versah sie mit einer
bislang nie gehörten, bissigen, radikalen Attitude. Siggi war schwer begeistert
von seinen beiden Texten. Dafür, so erzahlte er, dass sie "im besoffenen Kopp"
entstanden sind, waren sie doch noch angenehm ernst. Vom Erfolg ermutigt, beschloss
er eines Abends, sich ein paar vernünftige Leute zu suchen und fortan "duften
Politrock" zu machen, bis er ernüchtert feststellte, dass "die alle nur Tee
saufen und Bob Dylan hören".
Als wenig spater sich Bärbel ihren langgehegten Traum erfüllte und nach
Liverpool flog, um auf Paul McCartneys Collage Gesang und Tanz zu studieren, schien
das Ende der Band besiegelt. Nach nur zwei Wochen kam sie jedoch wieder zurück,
"weil da nur Arschlöcher rumhängen". Ich glaube mittlerweile, dass sie
tief in ihrem Innersten von einer Solo-Karriere traumt. Karl macht zur Zeit seinen
Hauptschulabschluß nach (Mit 37! Respekt !), Wolle säuft und Addi ist in
Thailand. Hat mir .ne Karte geschickt, der Sack. Schreibt, dass er endlich wieder
proben will, 2004, wenn er wieder zurückkommt, ich solle schonmal das Bier
kaltstellen und den andern Bescheid sagen. Okay. Ich werds mir überlegen .
Martin "Saftie" Chudelska (Bandfahrer und -betreuer 1985- 2001)