Hallo Musikfreunde,
nachdem wir ja bereits mit dem Hank Williams Hörbuch ein wenig Neuland
betreten haben, gehen wir jetzt noch einen Schritt weiter und
präsentieren mit: DIE STONES SIND WIR SELBER ein Buch!! Dem Titel
entsprechend bleiben wir dem Kontext Musik natürlich treu.
Die beiden Autoren Tom Tonk und Zepp Oberpichler legen her einen
unterhaltsamen Roman vor, der sich "mit der Frühzeit des Rock im
Ruhrpott beschäftigt" und "..eine liebevolle Erinnerung an eine Jugend
ohne allgegenwärtige Popkultur, ohne MTV, ohne SMS, ohne riesige
Rockfestivals und ohne Champions League" ist (Musik Express12/02).
O-Ton der Autoren: "Das ist kein Rock`n`Roll Journalismus, das ist ein
Stück gelebter Rock`n`Roll! Mit Wahn, Sinnsuche, Ruhrpott, Sex, Suff und
alledem."
Ein Roman in der Tradition von Werken wie High Fidelity (Nick Hornby)
oder Lost in Music (Giles Smith).
Mit freundlichem Gruß,
Jörg Timp / die Starkult Crew
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- Infos zum Buch
- Lesetermine
- Textpassagen, zum Abdruck frei bei Quellenangabe und bei Zusendung eines Belegs
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Titel: Die Stones sind wir selber Roman
Autoren: Zepp Oberpichler & Tom Tonk
ISBN: 3-922750-45-1
Umfang: 240 Seiten
Ausstattung: gebunden mit Schutzumschlag
Preis: 14,90 Euro
Verlag: Henselowsky / Boschmann
Kurzinfo:
Ende der 60er Jahre gründen sie ihre eigene Band. Proben,
Auftritte, Erfolge. Sie schicken sich an, die besten Rolling Stones zu
werden - zumindest im Ruhrgebiet. Ein Roman mit Rock 'n' Roll im Blut
und Blues auf der Seele.
Das junge Ruhrgebiet liegt den Beatles zu Füßen, die Rolling Stones
singen über Satisfaction und Theodor Bornbeck muss auf dem Klavier den
H-Moll-Akkord von Johann Sebastian Bach suchen. Dann trifft er Willi.
Willi raucht, Willi trinkt, Willi hat die längsten Haare und Willi weiß alles über die Stones. Die kennt Theo nur aus Zeitungsartikeln, die sein
Vater ihm allzu gerne vorliest: Sollen Krawallburschen sein. Sind
Seuchenherde. Haben Sex und keine Ehe. Theo und Willi tun sich
zusammen, gründen mit "Schweiger" Schulze eine Band? Beat! Party!
Mädchen! Irrenhaus! Die Stones werden sie selber, und zwar die besten -
zumindest im Ruhrgebiet.
Eigenbewertung in drei Sätzen:
Ein Roman über den ganz normalen Wahnsinn der 60er Jahre. Ein
großspuriges Stück Lebenslust mit rotzfrechem Humor. Rock 'n' Roll eben.
Die Autoren:
Zepp Oberpichler - geboren 1967 in Duisburg, Musiker (Gitarre); über 100
veröffentlichte Songs mit Bands wie Zepp Strange, Die Kinskis, Schlaffke
& Zepp; schreibt für diverse Punk-Fanzines; eigene Werbeagentur in
Duisburg.
Tom Tonk - geboren 1965 in Gelsenkirchen, Musiker (Gesang); Herausgeber
verschiedener Musik- und Lifestyle-Magazine, Gastschreiber in diversen
Krachblättern; seit 1996 selbstständig.
Zepp Oberpichler & Tom Tonk spielen zusammen in der Band Jimmy Keith &
his Shocky Horrors stilvollen, schnellen Rock 'n' Roll.
==== Lesetermine ====
16.01.03. | Duisburg, Hundertmeister (Saal) | 20.00h |
30.01.03. | Düsseldorf, Coffy (Altstadt) | 20.00h |
06.02.03. | Salvete, Angermund | 20.00h |
===== Freigegebene Textpassagen ====
Auszug aus dem 2ten Kapitel
Von einer Geheimkartei für Nikotinsünder, einer ungekämmten Nachgeburt
und den Platten der Stones
...Willis guter Rat drehte in Theos Schädel noch ein paar Runden, als er in
sein Zimmer ging und die Platte auflegte. Die Platte, die ihm
höchstwahrscheinlich Schwierigkeiten bringen würde, er hatte da so ein
Gefühl. Waren es nicht seine Eltern, die stets neue Weltrekorde im
Kopfschütteln aufstellten, wenn sie in der Zeitung über derartige
Hottentottenmusik lasen? Sei's drum. Er entschied sich, alles zu
riskieren, und senkte den Tonarm behutsam auf die Scheibe mit dem
gefährlichen Virus. Dafür oder dagegen, Krieg oder Frieden, Bach oder
die Stones - gleich würde er es wissen. Er lag auf seinem Bett und
wartete auf zwölf Portionen reeller Musik.
Das Knacken und Knistern aus der Box verriet ihm, dass jemand vor ihm
diese Platte offenbar schon sehr häufig gehört hatte. Vielleicht wegen
des dreckigen Riffs, von dem er immer noch nicht wusste, was das
überhaupt war, und von dem er immer noch hoffte, es würde seine Welt
verbessern. Den Lautstärke-Regler hatte er vorsichtshalber bis zum
Anschlag aufgedreht. So kurz vor der Erlösung wollte er keinen Fehler
machen. Laut knisternd zog die Nadel ihre Bahnen, die die Rillen ihr
wiesen. Frieden!
Es roch nach einem netten, mystischen Moment.
Plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm, ein apokalyptisches Beben, ein
gigantischer Ausbruch von Urgewalt.
Was war los? War das die Platte? Waren das die Stones oder die Russen?
Oder hatte sich der Schlachthof am Ende der Straße durch seinen eigenen
Darm gepresst?
Theo stand senkrecht im Bett. Bereit, dem Dritten Welt-krieg, der soeben
begonnen hatte, tapfer ins Auge zu schauen.
Kein Mensch konnte ernsthaft von ihm verlangen, sich in dem Gewirr der
kreischenden Gitarren und der wild hämmernden Schlagzeugmaschinerie
eines gewissen Charlie Watts zurechtzufinden - kein Mensch, außer er
selbst. Es war höchste Zeit. Er musste endlich diesen verdammten
Einstieg zu dieser fremden Galaxis finden. Aber wie? Etwa durch diesen
sehr überdrehten Gesang? Die abgegriffene Plattenhülle machte einen Mick
Jagger als Inhaber der Stimme aus. Viel schlauer machte ihn das nicht.
Seltsam genug, dass diese Stimme weder brav noch lieblich war; aber dass
dieser dürre Furz mit dem großen Mund offensichtlich in voller Absicht
so verlottert herumschrie, verdiente einen gewissen Respekt und hatte
nichts mit den Schlagersängern zu tun, über die er manchmal im Radio
stolperte.
Mick Jagger schrie weiter. Vom Text verstand Theo natürlich jede
einzelne Zeile, und das war auch bitter nötig.
Well, she used to run around with every man in town...
Er konnte sich schon denken, wovon Herr Jäger gerade sang, die alte Sau.
Er war sich auch ziemlich sicher, dass das Leben dieses Engländers
nichts mit dem eigenen gemein hatte und dass dies ein Missstand war, den
es schnellstmöglich zu beheben galt. Oh ja, ein erwärmender Gedanke.
Spent all my money playing a high class game...
Er legte sich wieder aufs Bett, hing ein paar Gedanken nach, wippte mit
dem Fuß.
Because I used to love her... but it's all over now...
In seiner Lage würde eine filterlose Zigarette sicherlich nicht schaden.
Eine Freundin aber auch nicht.
Während sich in seinem Kopf und seiner Hose ein zartes Verlangen nach
gut küssenden Babes rührte, war das Stück schon zu Ende und Jagger mit
seiner kleinen Lady längst über alle Berge. Nicht übel. Zumal elf
weitere Songs nur darauf warteten, ihn mit Dreck und Riffs zu bewerfen.
Die Gitarren, die plötzlich ihren Weg durch das leise Lagerfeuer
zwischen den Stücken frästen, waren nicht von schlechten Eltern, sondern
von zwei ganz anderen Herren: Mister Richard und Mister Jones. Gitarren,
laut und hart gespielt, das klingende Brikett.
Theo lag auf dem Bett und wurde gerade von der quakenden Wucht aus
seinem Lautsprecher richtig schön durchgeknetet, da knallte die Tür auf
und seine Mutter sprang herein.
"Bist du jetzt völlig übergeschnappt? Was ist das bloß für ein Lärm? In
meinen eigenen vier Wänden! Mach das sofort leiser oder du lernst mich
mal von einer ganz anderen Seite kennen!"
Allzeit bereit, wenn es darum ging, der Mutter einen Gefallen zu tun,
begab er sich langsam zum Plattenspieler und drehte den Knopf für
"Waffenstillstand" mit einer atemberaubenden Dösigkeit nach links.
Nach einer halben Minute war es geschafft. Aus dem Kanonendonner wurde
wieder Zimmerlautstärke. Doch statt einer geballten Ladung Dankbarkeit
erntete Theo nur Ärger, Radau und Hysterie - und davon die ganze
Palette.
"Leiser! Noch leiser! Mach's am besten ganz aus!"
"Wieso denn?"
Eine böse Frage, die seine Mutter so blöd glotzen ließ, als spiele
Churchill auf seinem Geschlechtsteil For He's A Jolly Good Fellow. Wieso
denn, wieso denn...
"...weil ich das so will!"
"Wieso denn?"
"Komm, frag nicht so blöd!"
Man konnte sagen, was man wollte: Ihre Argumente hatten einfach Klasse.
Am Horizont winkten bereits zwei Wochen Hausarrest freundlich herüber.
"Mir gefällt der Lärm aber!" Er schnappte sich nochmals die
Plattenhülle, um darin ein paar Meter tief zu versinken.
Die Mutter verstand keinen Spaß. "Lärm ? das ist genau das richtige
Wort! So etwas kann doch nur von Verrückten kommen! Komm ja nicht auf
die Idee, mir eine Platte der Beatles ins Haus zu schleppen!"
"Das sind die Rolling Stones!"
"Was, die? Diese Schläger? Diese Kriminellen? Die, die immer die Stühle
zertrümmern?"
Nanu? Woher wusste sie vom Kleinholz? Ach ja: Für derartige
Informationen war die Kasse vom Supermarkt zuständig, in dem seine
Mutter regelmäßig verkehrte.
Alles klar. Theo nickte entspannt. Dann musste er grinsen. Ihm steckte
der Schalk im Nacken. "Die fressen auch kleine Kinder und stecken Häuser
in Brand!"
Ihr Kopf gewann an Farbe.
Er begann damit, sich wieder der Plattenhülle zu widmen. In den
Augenwinkeln konnte er sehen, wie sie ausgebombt auf der Bettkante Platz
nahm.
"Ich seh dich schon im Gefängnis, mein Sohn! Was werden die Leute denken
- denk an Vatis Position! Und ich opfere mich all die Jahre für dich
auf, gebe dir die beste Erziehung, die du dir vorstellen kannst - und
was ist der Dank? Mein Sohn beginnt zu spinnen! Macht, was er will! Aber
Undank ist der Welten Lohn! Mein Gott, was ist das bloß für eine
Generation?"
Kopfschüttelnd starrte sie ins Nichts. Wie jemand, der Selbstgespräche
führt.
"Und ich kaufe dir all die teuren Bach-Platten, bezahle deinen
Klavierunterricht, und du fällst auf eine Bande herein, die nichts als
Krawall im Kopf hat! Unfassbar!"
Tief seufzend erhob sie sich, strich das Bettzeug glatt und hinkte aus
seinem Zimmer, wie jemand aus dem Zimmer hinkt, auf dessen Schultern die
Last der ganzen Welt ruht.
Bye Bye Johnny.
Mit gierigem Blick schielte er auf die lärmende Wunderwaffe gegen
Mütter, rollte sich vom Bett und ließ den Tonarm zum zweiten Mal auf die
Platte sinken. Dem Lautstärkeregler verpasste er wieder die von Willi
empfohlene Position.
Die Platte lief, und er ging auf Entdeckungstour. In der Tat war die
Musik dreckig, viel dreckiger als seine So-cken. Dreckig genug, um brave
Bürger durch ihre bloße Existenz provozieren zu können. Fein!
Er hörte sich die Platte ganz genau an, zwei-, drei-, siebenmal, und er
fand - abgesehen vom Gesang, dem Bass und dem Schlagzeug - noch einen
weiteren Grund, diese Scheibe zu mögen: Die Gitarren. Das Stück
Confessin' The Blues blieb ihm besonders im Ohr. Es war langsamer und
klagender als die anderen. Vielleicht musste er sich an das sonstige
Tempo erst noch gewöhnen, vielleicht lagen bei
ihm Melancholie und Mutter zu dicht beieinander. Vielleicht war es auch
nichts von alledem.
20. Kapitel
Von waschechten Zufällen, sehr weiten Hosen, der traditionellen
Curry-Variante und einem Flug zur Venus
Es ging auf den Herbst zu. Willi hatte damit begonnen, sich den Speck
für denWinter anzufuttern. Theo sah ihn fast nur noch im Sessel, wo er
sich mit Kartoffelchips und Dosenbier verbarrikadiert hatte und eine
Zeitschrift nach der anderen verschlang. Dabei ging er gleichermaßen
hastig wie lustlos vor. Mode, Graham Bonney und Pickelcremes
interessierten ihn nicht. Dafür sorgte jeder Artikel, in dem das Wort
Woodstock vorkam, für heftige, nostalgische Gefühlsausbrüche. Immerhin
war Willi ja selbst dabei gewesen, so ein bisschen zumindest, live und
mit Rucksack. Und natürlich musste er jede Neuigkeit darüber brühwarm
berichten, ob einer zuhören wollte oder nicht. Binnen weniger Tage
konnte er zu diesem Thema aus dem Stegreif ein vollständiges Referat
halten:
"Also, das war so: Der Witz ist erst mal, dass das ganze Spektakel gar
nicht in Woodstock, sondern hundert Kilometer weiter nördlich in Bethel
ablief. Da hatte ein Bauer seinen Acker zur Verfügung gestellt, obwohl
da erst die Behörden gar nicht mitspielen wollten. Scheiß was drauf, hat
der sich gesagt, die Rübenzeit ist eh vorbei. Deswegen hat er dem
Jungvolk auch die Landeerlaubnis erteilt.
Natürlich konnte er sich da noch nicht vorstellen, dass
vierhundertfünfzigtausend Leute seinen Zuckerrübenboden umpflügen
würden. Da hat er erst mal schön blöd aus der Wäsche geguckt und musste
sich direkt eine rauchen. Starker Tobak für so ein Landei. Und wenn er
dann noch gewusst hätte, dass Old Willi auf dem Weg zu seiner Farm
versackt ist, hätte er sich wahrscheinlich direkt erhängt. Aber sei's
drum, so war ich halt nur einer von den vielen hunderttausend, die auf
dem Weg dahin irgendwie ste-cken geblieben sind. Schade, schade. Wenn
ich bedenke, was mir da alles durch die Lappen gegangen ist, könnte ich
mich stundenlang in den Arsch beißen!
Der Hendrix hat die amerikanische Nationalhymne rausgedonnert, mal eben
so beim Gitarre-Stimmen. Und sein Purple Haze muss wohl das Schärfste
gewesen sein, was man je gehört hat. Und dann waren da auch noch die
Who, die haben mal wieder alles kaputtgehauen.
Oder diese wahnsinnige Röhre aus Sheffield, dieser Joe Cocker, Mann, hat
der ein Organ! Hat ein Beatles-Stück gesungen, aber frag nicht wie! Die
in der Zeitung schrieben, dass er das optimale Kontrastprogramm zu den
härteren Sachen geboten hat, wie zum Beispiel Santana. Das ist eine
Gruppe, die soll ganz eigenartige Musik machen, so eine Mischung aus
Rock und südamerikanischen
Rhythmen. Die Scheibe von denen hab ich mir schon bestellt!
Vor allen Dingen hab mal ein Ohr offen für Ten Years After und das Stück
Going Home! Das haben sie gestern wieder im Radio gespielt, und ich hab
gedacht: Das gibt's doch gar nicht! In England nennen sie den
Gitarristen der Gruppe, Alvin Lee heißt der, Mr. Fastfinger, und das ist
auch der einzig wahre Name für so einen Wahnsinnigen. Wie der über die
Saiten flitzt, das grenzt an Akrobatik!
Ich werd mir die LP von denen holen und mich dann zwei Wochen zu Hause
einschließen. Wenn ihr mich fragt: Ten Years After sind ein echter Tipp.
Schon deswegen hat sich das für die Leute gelohnt, obwohl sie im Matsch
campen mussten, da es am Tag vorher geplästert hat, als würde die Welt
untergehen.
Dann gab es noch Boogie pur von Canned Heat, Joan Baez für die Folkies
und so einen Blumenfred mit seiner Sitar. Die gute Janis Joplin sollte
eigentlich auch spielen, ist dann aber im Verkehrschaos stecken
geblieben. Ein Hubschrauber hat sie dann eingeflogen. Gesungen hat sie
zwar nicht, aber zugucken ist ja auch schon was. War ja auch das größ=
te
Konzert überhaupt. Da spielte fast alles, was Rang und Namen hat.
Beim nächsten Mal machen Diggin The Triggin die Abräume, das ist schon
mal sicher wie das Amen in der Kirche."
Theo schlug die Zeitung auf und las den Artikel zum fünften Mal:
Guter Auftakt des Rock-Festivals in Essen
Die Bedingungen für den Start in das 1. German Rock-Meeting vom 25. bis
26. September im Grugapark in Essen waren optimal. Bei strahlendem
Sonnenwetter tummelten sich ca. 3000 (meist langhaarige) Rockfans vor
der Bühne. Das Kulturamt Essen, das dieses Rock-Meeting veranstaltet
hat, wertet den ersten Tag als Erfolg. Dies gelte, so Kulturdezernent
Borchert, nicht nur für die Qualität der musikalischen Darbietungen,
sondern auch für die ausgesprochen positive Resonanz seitens der
Zuhörer.
Das Publikum erlebte rund sieben Stunden Live-Musik bei freiem Eintritt.
Unter den vielen großen Namen war die eigentliche Überraschung die
Nachwuchsgruppe Diggin The Triggin aus Duisburg, die den Konzertabend
fulminant eröffnete. Ihr Repertoire bot eine gelungene Mischung aus
Fremdkompositionen und Eigenmaterial. Überzeugen konnten sie mit ihren
Versionen von "Hey Joe" und "Johnny B. Goode", aber auch ihre selbst
geschriebenen Titel wie "Ich hab den Blues" oder der
"Kreiswehrersatzamt-Boogie" kamen beim Publikum gut an.
Verwunderlich, dass die Band auch mit ihren deutschsprachigen Texten
großen Zuspruch ernten konnte, da man solchen Versuchen bislang eher
skeptisch gegenüberstand. Wenn Diggin The Triggin ihre Linie konsequent
weiterverfolgen, wird von dieser Gruppe noch viel zu hören sein.
Weiter ging es mit...
Theo faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben die Bierdose zur
weiteren Verfügung. In fünf Minuten würde er den Artikel zum sechsten
Mal lesen und es immer noch nicht glauben.
Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass die Sache ein so großer
Erfolg werden sollte. Bis vor zwei Wochen hatten sie nicht einmal damit
gerechnet, dass sie überhaupt auf dem Rock-Meeting spielen würden. Wie
alles im Leben war auch das ein waschechter Zufall: Sie hatten ein
Konzert auf dem Friedensfest in Moers gegeben und waren dort einem Tee
trinkenden Kordhosenträger aufgefallen, der sich ihnen als Veranstalter
vorstellte. Willi gab ihm spaßeshalber mal seine Adresse,
wünschte dem Knaben noch ein frohes Schaffen und hatte ihn im nächsten
Moment schon wieder vergessen. Einige Tage später flatterte plötzlich
ein Brief mit der Einladung zum Konzert ins Haus. Der Gitarrist von
Electric Ladyhand aus Dortmund hatte einen Bandscheibenvorfall und
konnte nicht auftreten, nun wurde Ersatz gesucht. Und da dachte man an
Diggin The Triggin.
Bei der Probe hatten sie nach jedem Song feierlich den Umschlag
geöffnet, das Schreiben herausgenommen und immer wieder vorgelesen. Da
stand, dass sie mit den bekanntesten Bands aus dem Pott spielen sollten,
auf einem Konzert, auf einer Bühne, vor einem Publikum. Theos Sorge,
dass sich der größere Rahmen und die bloße Anzahl der Zuhörer auf den
Nervositätsgrad der Finger auswirken könnten, erwies sich als
unbegründet.
Zahlreiche Freaks standen schon nach den ersten Takten Jumpin' Jack
Flash auf und flippten durch die Gegend. Angetrieben vom Publikum
steigerten sich Diggin The Triggin von Nummer zu Nummer. Willi schob
dreist ein Solo beim Kreiswehrersatzamt-Boogie ein, stieg auf seinen
Hocker und schlug mit den Füßen den Takt durch. Dafür gab es besonders
viel Applaus, worauf Willi später hinter der Bühne dozierte, dass eine
gute Show auch etwas hermacht. Sofern sie zum Image passt, versteht
sich, aber er hätte da schon eine Idee. Seine empfohlene Sofortmaßnahme
bestand darin, das Privatleben zukünftig etwas exzessiver zu gestalten
und es den großen Vorbildern nachzutun. Wo kein Sex, da keine Presse, wo
kein Rhythmus, da kein Blues.
Wenig später ließ er sich dabei erwischen, wie er auf der Toilette Uschi
vernaschte und dabei Whisky soff. Der Hausmeister schmiss ihn vom
Gelände, und sie bekamen den Artikel, den Theo nun zum sechsten Mal las.